Benjamin Davy
Seele und Dieterich qualifizierten sich für die Professur "Vermessung und Bodenordnung" durch ihre Erfahrungen in der Praxis der Bodenordnung und Bodenwertermittlung (kommunales Vermessungswesen) sowie durch ihre Mitgliedschaften in Gutachterausschüssen für Wertermittlung und Umlegungsausschüssen. In der (zweiten) Ausschreibung der Universitätsprofessur C4 für Bodenpolitik, Bodenmanagement und kommunales Vermessungswesen (DIE ZEIT, 14.2.1997) betonte die Fakultät, daß "das kommunale Vermessungswesen auch personell abgedeckt werden kann." Wissenschaftliche Theorien der Bodenpolitik rücken nun in den Vordergrund der zentralen Themen: Grundfragen der Bodenverfassung, die Funktionsweise des Bodenmarktes oder die Wechselwirkungen zwischen Raumentwicklung, Raumplanung, Bodenmarkt und den Ansätzen des Bodenmanagements im sparsamen Umgang mit Grund und Boden. Obwohl in der Ausschreibung "praktische Erfahrungen" als "erwünscht" bezeichnet werden, liegt der Schwerpunkt nun auf einer theoretischen Ausrichtung. Nachdem die erste Runde des Berufungsverfahrens aufgrund einer ministeriellen Weisung erfolglos endete, wurde in der zweiten Runde ein Bewerber berufen, der weder praktische Erfahrungen im kommunalen Vermessungswesen noch besondere Kenntnisse des deutschen Planungssystems vorweisen konnte. Da der erfolgreiche Bewerber der erste Autor dieser Lehrstuhlgeschichte ist, erzähle ich die Jahre 1997 bis 2018 aus meiner Sicht und nicht in der dritten Person.
Mein Name ist Benjamin Davy. Ich wurde 1956 in Wien geboren. Ab 1974 studierte ich an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und promovierte 1980 zum "Doctor iuris". Bis zu meiner Berufung an die Universität Dortmund war ich am Institut für Rechtswissenschaften an der Fakultät für Raumplanung und Architektur (später: Architektur und Raumplanung) der Technischen Universität Wien tätig, zunächst als Universitätsassistent, später als Universitätsassistent und außerordentlicher Universitätsprofessor. Nach erfolgreicher Habilitation an der Universität Wien wurde mir 1991 die Lehrbefugnis als Universitätsdozent für Staats- und Verwaltungsrecht verliehen. In meiner Habilitationsschrift "Gefahrenabwehr im Anlagenrecht" (Davy 1990) habe ich die verwaltungspolizeilichen Aufgaben und Instrumente zur Gewährleistung der Sicherheit von Industrieanlagen untersucht. Mein Interesse an der Raumplanung wurde in Gesprächen mit Kollegen geweckt, die sich für die wirtschaftlichen Folgen des (damals) neuen österreichischen Mietrechts interessierten. Vertieft habe ich dieses Interesse mit einer Studie zur Standortplanung von Abfallwirtschaftsanlagen, die ich als Joseph Schumpeter Fellow an der "John F. Kennedy School of Government" und der "Harvard Law School" im Studienjahr 1994/95 durchgeführt habe. In "Essential injustice" (Davy 1997) geht es um die Art und Weise, wie Raumplanung und Umweltpolitik mit unvermeidlicher Ungerechtigkeit umgehen können. Diese Studie ist meine erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Raumplanung als Wissenschaft und beinhaltet eine diskursanalytische Fallstudie über eine Müllverbrennungsanlage in East Liverpool, Ohio. Auch meine Theorie der Polyrationalität (basierend auf Mary Douglas und Mike Thompson) kommt hier zum ersten Mal zum Tragen.
Zunächst war ich 1997 Lehrstuhlvertreter und durch meine Berufung 1998 (also im Jahr des 50-jährigen Bestehens des Fachbereichs) bin ich seit 20 Jahren Universitätsprofessor für Bodenpolitik, Bodenmanagement und kommunales Vermessungswesen am Fachbereich Raumplanung der TU Dortmund, seit einigen Jahren selbsternannte "TU Dortmund University "1. 2000/01 hatte ich das Amt des Dekans des Fachbereichs Raumplanung inne, 2002-2005 war ich Mitglied des Akademischen Senats der TU Dortmund.
In den ersten Jahren in Dortmund habe ich zusätzlich zu meinem Habilitationsfach ein neues Fach studiert, um möglichst viel von dem Wissen zu bekommen, das meine beiden Vorgänger in der Praxis erworben hatten. Ich verbrachte viele Tage und Nächte mit dem Studium von Dieterichs "Baulandumlegung" und Kleibers Bewertungshandbüchern. Ich betrachtete mich als äußerst privilegiert, da meine Mitarbeiter (viele von ihnen in Bild 20) mich bei meinem Studium nach besten Kräften unterstützten.
Geradezu magische Unterstützung erhielt ich auch durch die gemeinsame Kompaktveranstaltung "Theorien und Modelle der Raumentwicklung". Volker Kreibich und Gerd Held (GEO), Ekhart Hahn und Heike Köckler (VPU) sowie Dirk Bracke und ich (BBV) diskutierten gemeinsam über die Theorie der Zentralen Orte, die ökonomischen und politischen Implikationen der Gartenstadtidee, den Vergleich europäischer Kohlereviere (von Newcastle upon Tyne über das Ruhrgebiet und Oberschlesien bis zum Donezbecken) und die Aktualität der Thünen'schen Bodenrententheorie. Gemeinsamer Unterricht will nicht nur gut geplant sein, sondern ist auch lehrreich. Im gemeinsamen T+M-Seminar lernte ich nicht nur alles über grundlegende Existenzfunktionen, ökologische Fußabdrücke und tonnenkilometrische Minimalpunkte. Vielmehr begann ich die besondere Qualität der Dortmunder Raumplanung zu schätzen: inhaltlicher und methodischer Synkretismus auf hohem Niveau (oft als "Interdisziplinarität" bezeichnet) und in Form einer Disputation, einer freundschaftlichen Auseinandersetzung. Wichtige Elemente unserer gemeinsamen T+M-Seminare waren mehrtägige Exkursionen, zum Beispiel nach Salzburg. Aufgrund dieser Erfahrungen hat der Lehrstuhl des BBV in den letzten 20 Jahren etwas weniger für die Geodäsie getan, als dies unter Seele und Dieterich der Fall war. Dafür rückte das Interesse an der Überwindung von Fachgrenzen und Querschnittsaufgaben sowie an der Raumplanung als Wissenschaft in den Vordergrund. Und es wurde auch viel beim/mit dem BBV gestritten!
Ähnlich wie bei Walter Seele hat mich das Dekanat schon bald nach meiner Berufung getroffen, nämlich in den Jahren 2000/01. Obwohl die Erfahrungen mit dem Dekanat für alle Professoren lehrreich sind, verbrauchen die größeren und kleineren Konflikte viel Energie, die dann weder für den eigenen Lehrstuhl noch für Forschung und Lehre zur Verfügung steht. Die Asbestsanierung der Geschossbauten I und III, der Abbau von befristeten Mittelstellen und die Einführung von "Poolstellen", die Verhandlungen mit dem Rektorat über einen "Qualitätspakt", die internen Konflikte um die Berufungsverfahren VES, STB und SRP, die zunehmend überformalisierten Lehrverpflichtungen oder die Trauerarbeit nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gehören zu den Erfahrungen, die ich lieber nicht gemacht hätte. Das Dekanat brachte aber auch schöne Momente, wie z.B. die Begegnungen von Kollegen außerhalb der formalisierten Gesprächsrunden. Sicherlich konnte auch ein verbessertes Gesprächsklima agnostisches Verhalten nicht verhindern. Dennoch erinnere ich mich gerne an die "Verhaltensregeln", die die Kollegen Paul Velsinger und Heinrich Schoof den Professoren als Anleitung für den kollegialen Umgang im Alltag mitgaben. Obwohl von manchen als "Kognakregeln" verspottet, sorgte diese Initiative für einen erfreulichen kollegialen Zusammenhalt - zumindest für eine gewisse Zeit.
Als Dekan wollte ich nicht nur verwalten, sondern auch die Fakultät durch gemeinsame Forschung mit der Region verbinden. Das Angebot von Dr. Wolfgang Roters (damals MSWKS) war eine verlockende Vorlage. In einem Vortrag auf Einladung des Mittelbaus versprach Roters, die Fakultät dabei zu unterstützen, sich stärker im Ruhrgebiet zu engagieren. Das Ergebnis war das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem nordrhein-westfälischen Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport (MSWKS) geförderte Verbundprojekt "Stadtregion Ruhr 2030". Partner der Verbundforschung waren das Amt für Raumordnung und die kreisfreien Städte Duisburg, Oberhausen, Mülheim an der Ruhr, Gelsenkirchen, Essen, Herne, Bochum und Dortmund. Nach der Endabrechnung für die Jahre 2001 bis 2003 erhielten die Partner der "Städteregion Ruhr 2030" allein vom BMBF Drittmittel in Höhe von rund 1,37 Mio. € (einschließlich des MSWKS-Anteils: rund 1,7 Mio. €). In gemeinsamen Seminaren suchten der BBV und die Dortmunder Amerikanistik nach theoretischen Grundlagen ("border studies") für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Axel Kolfenbach (heute: Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) und Dr.-Ing. Stefanie Bremer (Mitbegründerin des Planungsbüros orange edge und seit 2016 Universitätsprofessorin für integrierte Verkehrsplanung an der Universität Kassel) setzten sich für die Neudefinition einer "regionalen Bodenordnung" ein. Entsprechend groß war die Erleichterung, als alle Partner die Projektbeschreibung unterzeichneten.
Die "Städteregion Ruhr 2030" entwickelte ein Leitbild für die stadtregionale Zusammenarbeit unter dem Motto "Kooperation und Eigensinn". Bei der Erprobung ihrer Zusammenarbeit wurden die Städte durch den "Turm der Visionen", eine Gruppe von Wissenschaftlern des IRPUD, unterstützt. Am 6. Juni 2003 schlossen die Städte einen stadtregionalen Vertrag ab. In diesem Vertrag wurde vereinbart, die Städteregion Ruhr als regionalpolitische Praxis fortzuführen und durch kooperative Leitprojekte umzusetzen. Das Leitbild der Städteregion Ruhr fasst die Ergebnisse des Forschungsverbundes in Kernaussagen zusammen:
- Regelgesteuerter Projektverbund: Die Städteregion Ruhr ist ein regelgesteuerter Projektverbund der Städte Duisburg, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Bochum und Dortmund.
- Kooperation und Hartnäckigkeit: Kooperationen zwischen den Städten des Ruhrgebiets sind dann sinnvoll, wenn sie für jede einzelne Stadt nützlich sind. Der Eigensinn der Städte ist eine Schatztruhe für die Zukunft der Städteregion Ruhr.
- Die neunte Stadt: Das Ruhrgebiet ist herausgefordert, seine Möglichkeitsräume zu erkunden und zu entwickeln. Possibility Management, also der flexible Umgang mit Grenzen, baut unnötige Barrieren ab und eröffnet Möglichkeitsräume.
- Wettbewerb der Ideale: Eigensinn beflügelt in der Städteregion Ruhr die Suche nach den besten Lösungen für gemeinsame Aufgaben.
- Kultur der Differenz: In der Städteregion Ruhr werden Unterschiede nicht nur toleriert, sondern durch einen flexiblen Umgang mit Grenzen genutzt.
- Vereinbarte Zusammenarbeit: Für jedes Leitprojekt der Städteregion Ruhr werden geeignete Spielregeln vereinbart, die auf gemeinsamen Erfahrungen der Zusammenarbeit beruhen.
- Responsive Zusammenarbeit: Einfache Regeln eröffnen einen Möglichkeitsraum für Kooperation und Eigensinn. Gegenseitiges Verständnis ist die Basis für gemeinsames Handeln der Städte.
- Kooperation als Prozess: Erfolgreiche Leitprojekte der Städteregion Ruhr bieten Chancen, gemeinsam mit anderen Akteuren und ohne Verzicht auf eigene Interessen kreative und vorteilhafte Lösungen zu finden.
Meine Erfahrungen mit dem Kooperationsprojekt habe ich in "Die neunte Stadt. Wild Borders in the Ruhr Urban Region 2030" (Davy 2004) und in "Plan It Without A Condom!" ("Raumplanung ohne Präservativ" (Davy 2007 und 2008). Die Theorien des Gesellschaftsvertrags und die "Kulturtheorie" von Mary Douglas spielten eine zentrale Rolle. Davy (2004) enthält die erste Version meiner Theorie der Polyrationalität. Die Begegnungen mit wilden Grenzen in der Städteregion Ruhr haben die Theorie nachhaltig geprägt. Die Bodenordnung besteht ja zu einem erheblichen Teil aus einem flexiblen Umgang mit den Grenzen des so genannten "Einwurfs". Der flexible Umgang mit Grenzen ist freilich auch ein wesentliches Merkmal der Bauleitplanung, die vom Gesetzgeber bewusst von der strikten Bindung an bestehende Grundstücksgrenzen befreit wird (§ 200 Abs. 1 BauGB). Und schließlich muss sich die Bodenordnung nicht nur mit Eigentumsgrenzen, sondern auch mit politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und ökologischen Grenzen befassen. Seminare zu Verhandlungslösungen bauten auf dem Harvard-Konzept der Verhandlung auf und verdeutlichten anhand von spielerischen Inszenierungen des Gefangenendilemmas oder Verhandlungssimulationen die Vorteile alternativer Konfliktlösungen. Aber auch in den großen Vorlesungen zur Bodenordnung und Bodenwertermittlung stehen Diskussionen im Vordergrund. Zum Beispiel über die Bedeutung von Foucault für die Bodenpolitik.
Im Jahr 2004 wurde Hartwig Junius aus dem aktiven Dienst verabschiedet. Seine Vorlesungen und Übungen zum Vermessungswesen (eine Dienstleistung für die Fakultät für Bauingenieurwesen), die er über viele Jahre hinweg gehalten hatte, wurden eingestellt. Für die Weiterführung der Vorlesung und Übung "Planungskartographie" wurde dem Lehrstuhl für drei Jahre eine halbe Stelle im mittleren Dienst zugewiesen. Für diese Aufgabe wurde die Diplomgeographin Gabi Zimmermann, Absolventin der TU Dresden, eingestellt, die von Heinz Kobs in der Lehre unterstützt wurde.
Im Jahr 2004 wurde Dr. rer. pol. Dirk Bracke mit seiner Dissertation "Verfügungsrechte und Raumnutzung. Landrente und Externalitäten als ökonomische Konzepte und Erklärungsmodell der Raumentwicklung". Bracke (2004) markiert einen Wendepunkt in der Promotionsforschung. Während frühere VBO-Dissertationen stets praxisbezogenen Themen gewidmet waren, untersuchte Bracke eigentumstheoretische Fragestellungen. Im Jahr 2018 verunglückten Dirk Bracke und sein Sohn Alexander tödlich bei einem Autounfall.
Probleme der Wertermittlung in besonders sanierungsbedürftigen Gebieten bildeten die Grundlage für ein Verhandlungsplanspiel, das zwar nicht zu Drittmitteln führte, aber anschauliches Lehrmaterial lieferte. Zuvor wurde das Planspiel am Lehrstuhl ausgiebig getestet. Für die Lehre im Bereich der Bodenbewertung erwies sich die Mitgliedschaft in mehreren Gutachterausschüssen für Grundstückswerte als hilfreich (seit 2005 in der Stadt Hagen, seit 2008 in der Stadt Dortmund und im Oberen Gutachterausschuss für Grundstückswerte des Landes Nordrhein-Westfalen). Eine Zählung der Passantenfrequenz in der Hagener Innenstadt durch Teilnehmer der Vorlesung "Planungskartographie" und eine Erhebung der Ladenmieten durch das Büro bildeten die Grundlage für eine thematische Karte. Diese Karte veranschaulicht die räumliche Verteilung von Passantenfrequenz und Ladenmieten und zeigt: Unterschiedlich starke Passantenfrequenz und unterschiedlich hohe Mieten für Ladenlokale fallen weitgehend zusammen ("Viel los, viel Moos!").
Ein Forschungsauftrag, der den Lehrstuhl BBV geprägt hat, wurde von der Internationalen Bauausstellung Sachsen-Anhalt 2010 vergeben. Am Beispiel der Stadt Magdeburg galt es zu untersuchen, welche städtebaulichen und flächenpolitischen Spielräume in einer "leeren Stadt" bestehen. Die Stadt Magdeburg, deren Oberbürgermeister Otto von Guericke durch seine physikalischen Experimente und die Entdeckung des Vakuums berühmt wurde, ist als ehemalige Hauptstadt der Schwerindustrie in der DDR mit allen Problemen des Strukturwandels konfrontiert, unter denen auch die Städteregion Ruhrgebiet leidet. Daher eignet sich diese Stadt besonders für eine Untersuchung der Wirksamkeit der durch § 903 BGB und Artikel 14 GG geprägten Eigentumsordnung. Wie funktionieren die Instrumente des BauGB - Flächennutzungs- und Bauleitplanung, Planungssicherung, Planungsschadensrecht, Baulandumlegung, Enteignung, Erschließung - unter den Bedingungen einer "leeren Stadt" (Davy 2006 und 2007). Als Kontrapunkt zum auf Wirtschafts- und Siedlungswachstum ausgerichteten Planungssystem des BauGB liefert die Magdeburger Studie eine Fülle von Hinweisen, welche Eigentumsverhältnisse bei schwindendem Siedlungsdruck und schrumpfender Bevölkerung ("Schrumpfung") erfolgversprechende Alternativen zum überwiegend liberalen Konzept des Grundeigentums bieten.
Zwischen 2005 und 2008 wechselte das Personal mehrfach. Zunächst verabschiedeten sich Tana Petzinger und Kamilla Kanafa, die nach ihrem Engagement für die "Städteregion Ruhr 2030" vom IRPUD zum BBV gewechselt waren, gemeinsam mit Gabi Zimmermann und Axel Kolfenbach. Thomas Hartmann bereicherte den BBV mit einem bisher wenig bearbeiteten Thema: Bodenpolitik und Hochwasserschutz zusammen mit seiner späteren Frau Gabi, geb. Zimmermann.
Der Jurist und Geograph Dr. Fabian Thiel (heute Privatdozent an der Universität Gießen und Professor an der Fachhochschule Frankfurt) unterstützte - wenn auch nur für kurze Zeit - die Forschung auf dem Gebiet des räumlichen Gemeinschaftseigentums und des "Gemeineigentums". Im Jahr 2007 wurde mit Kathrina Schmidt erneut eine Vermessungsassessorin für den BBV rekrutiert. Und im Jahr 2008 ging Brigitte Hower in den Ruhestand.
Das BBV hatte Glück im Unglück. Frau Susanne Syska-Fleckes trat die Nachfolge von Brigitte Hower als Bürokoordinatorin an. Sie war zunächst bis 2005 für Professor Kroes und bis zur Pensionierung von Universitätsprofessorin Dr. Dr. Walburga Rödding für den Lehrstuhl SYS tätig.
Die folgenden Jahre standen im Zeichen erfolgreicher Promotionsforschung. Dr. rer. pol. Thomas Hartmann promovierte über das Verhältnis von Raumplanung und Hochwassermanagement (Hartmann 2009, 2010, 2011), wobei seine Forschung auf der Theorie der Polyrationalität aufbaut. Im Jahr 2018 wurde Hartmann zum "Associate Professor" an der Land Use Planning Group der Universität Wageningen (Niederlande) ernannt. Dr.-Ing. Gabi Zimmermann promovierte mit einer Arbeit zur automatisierten Bildinterpretation. Die Vermessungsingenieurin Dr.-Ing. Kathrina Völkner, geb. Schmidt, promovierte mit einer Dissertation über die Wertermittlung im Verhältnis zum Verkehrswert und die Auswirkungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaft- und Schenkungsteuer auf die Wertermittlung im Städtebau und die steuerrechtliche Bewertung. Dr.-Ing. Völkner leitet seit 2018 die Abteilung Bodenordnung und Bewertung des Vermessungs- und Katasteramtes der Stadt Düsseldorf.
Ab 2007 führte die Zusammenarbeit mit Universitätsprofessorin Dr. jur. Ulrike Davy (Fakultät für Rechtswissenschaft, Universität Bielefeld) und Universitätsprofessor Lutz Leisering, PhD (Fakultät für Soziologie, Universität Bielefeld) zu einer Neuausrichtung der Forschung des Lehrstuhls.
Landpolitik und Landnutzungsrechte im globalen Süden rückten zunehmend als Instrument der sozialen Sicherung in den Fokus. Im Forschungsverbund FLOOR "Finanzhilfen, Landpolitik und globale soziale Rechte" war das DFG-geförderte Projekt "Sozial-ökologische Landpolitik" angesiedelt, das vom Lehrstuhl BBV erfolgreich eingeworben wurde.
Hier finden Sie hier ein FLOOR Working Paper von Michael Kolocek zu "Land policy and the social floor to housing - The Case of Latin America and Africa".
Die ersten Ergebnisse von FLOOR waren eine Kooperationsgruppe am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) in Bielefeld, die Veröffentlichung des Lehrbuchs "Landpolitik" und ein Sonderheft zum Thema "Social Citizenship" (Davy et al. 2013).
Bei der Internationalisierung der Dortmunder Bodenpolitik spielte die AESOP, die "Association of European Schools of Planning", eine wichtige Rolle. Der Austausch mit Kollegen aus europäischen, aber auch nordamerikanischen Planungsschulen setzte eine Internationalisierung fort, die bereits von Seele und Dieterich begonnen worden war.
Die AESOP wurde 1987, auch auf Initiative von Klaus Kunzmann, auf Schloss Cappenberg bei Dortmund gegründet. Ein weiterer Mitbegründer, Patsy Healey, ermutigte Rachelle Alterman, Willem Salet und mich, eine Themengruppe Planungsrecht zu bilden. Aus dieser Themengruppe ging die International Academic Association on Planning, Law, and Property Rights (PLPR) hervor. Im Jahr 2010 fand die Jahrestagung der PLPR auf Einladung des Vorsitzenden des BBV in Dortmund statt. Im Jahr 2012 hatte ich das Privileg, zum 25-jährigen Jubiläum mit einer Keynote zum Thema "Do planners have heroes?" beizutragen.
Auf einer Forschungsreise nach Südafrika traf ich Professor André van der Walt, dessen vermögensrechtliche Schriften mich schon seit einiger Zeit tief beeindruckt hatten. Van der Walt (1956-2016) nahm noch an der ersten von drei Vorbereitungskonferenzen für eine ZiF-Forschungsgruppe zum Thema "Understanding Southern Welfare" teil. Untersuchungsgegenstand der geplanten Forschungsgruppe war das Zusammenspiel von Landreformen, Sozialpolitik und Verfassungsentwicklung in vier Ländern: Brasilien, Südafrika, Indien und die Volksrepublik China.
Im Jahr 2012 wurde ich zum Präsidenten der PLPR gewählt, Thomas Hartmann wurde zum Generalsekretär gewählt.
Trotz vieler Forschungsreisen - zum Beispiel nach Bangladesch, Indien, Israel, Südafrika, Großbritannien und in die USA - wurde der Bezug zum Ruhrgebiet nicht vernachlässigt. Die Städte, die einst gemeinsame Partner der Abteilung Raumplanung waren, setzten die hartnäckige Zusammenarbeit fort, nahmen neue Partner auf und entwickelten konkrete Projekte, wie etwa eine stadtregionale Wohnungsmarktbeobachtung. Wichtige Elemente der Zusammenarbeit in der "Städteregion Ruhr 2030" - wie regelmäßige Treffen der Planungsdirektoren - wurden fortgeführt. Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des Städtebaulichen Vertrages fanden 2013 eine Vortragsreihe und ein Festakt in der Abteilung (im Rahmen des Städtebaulichen Kolloquiums) und auf Zeche Zollverein statt, die stets die wichtige Rolle der Abteilung Raumplanung als Impulsgeber für die Städteregion Ruhr betonten.
Die Internationalisierung der Lehre in Landpolitik und Landmanagement stößt immer wieder auf Widerstand. Im Jahr 2011 protestierten etwa 80 Studierende mit einem Brief an die Prüfungskommission gegen eine Prüfungsfrage. Diese Frage enthielt einen englischsprachigen Text der Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom zur Vermeidung der Tragödie der Allmende. Obwohl dieser Text in der Vorlesung ausführlich besprochen und übersetzt worden war, wollten die Studierenden nicht akzeptieren, dass Raumplaner weltweit überwiegend in Englisch und nicht in Deutsch kommunizieren. Kollege Grigoleit und ich beschlossen, die Preise, die uns die Studenten für unsere Lehrtätigkeit verliehen, in einen Elinor Ostrom-Kicker zu investieren. In dem sofort organisierten Turnier verlor das BBV-Team kläglich. Weitaus offener für internationale Trends war das Einsteigerprojekt A01 (2014/15), das die räumliche Kontextualisierung aller mit #Ruhr (oder ähnlichen Hashtags) getaggten Selfies untersuchte. Über dieses Studienprojekt wurde bundesweit berichtet, unter anderem in der Tagesschau.
Im Jahr 2015 verstarb Universitätsprofessor Dr.-Ing. Walter Seele, der erste Lehrstuhlinhaber für Raumplanung und Vermessung am Fachbereich Raumplanung der TU Dortmund. In einer engagierten Rede zu seinem 90. Geburtstag wandte sich Seele gegen die Überstrapazierung des Wortes "Management" und betonte nachdrücklich, dass "Bodenmanagement" oder "Landmanagement" niemals das Niveau einer echten "Landplanung" erreichen könnten.
Michael Kolocek, der ab 2010 zunächst im Projekt FLOOR beim BBV tätig war, löste von 2014 bis 2016 seinen BBV-Vorgänger Thomas Hartmann als PLPR-Generalsekretär ab. Er schloss 2015 seine Disputation ab und promovierte zum Dr. rer. pol. mit seinem wichtigsten FLOOR-Beitrag, dem Buch "Bodenpolitik und das Menschenrecht auf Wohnen" (Kolocek 2017), für das er mit dem Dissertationspreis der TU Dortmund im Fachgebiet Raumplanung und dem DMB-Studienpreis Wohnungspolitik 2017 ausgezeichnet wurde. Michael Kolocek vertiefte seine Promotion insbesondere in den Bereichen Diskursanalyse, Wohnungswesen und Menschenrechte (Kolocek 2013, 2014, 2015, 2018). Heinz Kobs feierte 2015 sein 40-jähriges Dienstjubiläum (71, gemeinsam mit Susanne Syska-Fleckes). Alte und neue Mitarbeiter der mittleren Ebene feierten mit.
Im Herbst 2015 fand die erste westasiatische PLPR-Regionalkonferenz an der "Indian National Law School" in Bengaluru (Indien) als Abschluss des DFG-geförderten Projekts "Sozial-ökologische Landpolitik" statt. Mehrere Beiträge dieser Konferenz wurden bei Springer Nature veröffentlicht (Pellissery et al. 2017).
2016 endete meine Amtszeit als Präsidentin der PLPR an der Konferenz in Bern. Im Jahr 2017 feierte Susanne Syska ihr 25-jähriges Dienstjubiläum. Der Lehrstuhl war mit vier Referenten auf der PLPR-Konferenz in Hongkong (2017) vertreten. Nach Wien (2005), Manchester (2009), Belfast (2013) und Stare Lesna (2015) war ich nun zum fünften Mal einer der Mentoren des AESOP-Doktorandenseminars in Aveiro. Die Teilnehmer kamen von Planungsschulen, hauptsächlich aus Europa, und lernten voneinander, wie man das Unerwartete erwartet. Auf dem anschließenden AESOP-Jahreskongress in Lissabon wurde ich zum nächsten Präsidenten der AESOP gewählt. Als Universitätsprofessor in Dortmund legte ich großen Wert auf "academic citizenship". Dazu gehört die Teilnahme am PhD-Workshop von AESOP und PLPR ebenso wie die Mitwirkung an Peer-Reviews und Redaktionen internationaler Zeitschriften. Ich arbeite als Redakteur für "Planning Theory and Practice" (Editorial Board), "Planning Theory" (Essay Editor), "Journal of the American Planning Association" (Editorial Board) und "Town Planning Review" (Co-Editor).
Seit 2017 ist die BBV an dem Verbundforschungsprojekt "Zukunft Stadt Region (ZUKUR)" beteiligt, das der Fachbereich Raumplanung gemeinsam mit dem Regionalverband Ruhr, der Stadt Bottrop und der Stadt Dortmund ("nordwärts") durchführt. In einer ganztägigen Verhandlungssimulation bot der Lehrstuhl den Projektpartnern die Möglichkeit zu einer vertieften Diskussion über Klimaresilienz und Klimagerechtigkeit. Darüber hinaus untersuchte der BBV die Rolle von räumlichen Gemeingütern im Klimaschutz. Am Beispiel des RS1 - einem 100 km langen Radschnellweg, der quer durch das Ruhrgebiet führt - werden symbolische Politiken im Klimaschutz, klimafreundliche Mobilität und Ernährungsgerechtigkeit untersucht.
In den 50 Jahren seines Bestehens haben die Mitarbeiter des Lehrstuhls "Vermessung und Bauleitplanung" / "Bodenpolitik, Bodenmanagement, Kommunales Vermessungswesen" einen rasanten technischen Wandel erlebt. Viele der Innovationen in der Datenverarbeitung im kommunalen Vermessungswesen haben die Möglichkeiten in Forschung und Lehre sowie die Arbeitsplätze insbesondere für die technischen Mitarbeiter völlig verändert. Vor fünfzig Jahren wurde der Stellenwert von Wissen und Erfahrung aus der Praxis viel höher eingeschätzt. Heute legt der Lehrstuhl mehr Wert auf internationale Forschung und Konferenzteilnahme, englischsprachige Publikationen und Theoriebildung. Diese Betonung wird zwar toleriert, aber von der Universität und der Fakultät kaum unterstützt. Vermutlich war das vor 50 Jahren nicht anders - eine Dortmunder Interpretation der "Freiheit der Wissenschaft", wie mir die Kollegen Seele und Dieterich bereits berichteten. In der Lehre hat die Vielfalt des thematischen Angebots durch die Reduzierung des wissenschaftlichen Personals, die Modularisierung der Lehreinheiten und die bürokratische Abwicklung der Lehrverpflichtung spürbar abgenommen (man vergleiche nur das Angebot an Lehrveranstaltungen vor 50, 25 oder 5 Jahren)2. Für die Praxis der Lehre bedeutete dies, dass manche es einfach mehr als einmal tun mussten - wie in der 2008 entstandenen Collage eines BBV-Logos.
Die größte Veränderung in der Bodenpolitik ist wohl, dass Unternehmen für ihre umfangreichen Investitionen in Grundbesitz den gleichen Schutz genießen wie Privatpersonen (Davy 2016). Das war nicht immer so klar, noch 1967 erkannte das Bundesverfassungsgericht:
"Grund und Boden kann weder in wirtschaftlicher noch in sozialer Hinsicht ohne weiteres mit anderen Vermögenswerten gleichgesetzt werden; er kann im Rechtsverkehr nicht wie eine bewegliche Ware behandelt werden." (BVerfGE 21, 73[82-83] - Grundstücksverkehr). Mit der Herstellung der deutschen Einheit wurde die Nutzung von Grund und Boden als Investitionsobjekt zu einer unbestreitbaren Selbstverständlichkeit - die deutsche Version des "Mythos Boden". Für die Raumplanung wurde es dadurch immer schwieriger, eine sozial gerechte Bodennutzung (§ 1 Abs. 5 BauGB) oder eine Bodenwirtschaft zu etablieren, die den "Grundsätzen der Gerechtigkeit" und der "Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins" (Art. 151 Weimarer Reichsverfassung) entspricht. Hierin liegt eine Herausforderung, die den Lehrstuhl auch in den kommenden 50 Jahren beschäftigen wird.