Dr. jur. Hartmut Dieterich
Von 1977 bis 1996 hatte Dr. jur. Hartmut Dieterich die Universitätsprofessur für Vermessung und Flurneuordnung. Hartmut Dieterich wurde 1931 in Reichenbach unter der Eule, Schlesien (heute: Dzierżoniów), geboren (diese und die folgenden Angaben sind Dieterich 2002 entnommen). Dieterich studierte Politik und Wirtschaft an der Pacific University in Forest Grove, Oregon, sowie Rechtswissenschaften an den Universitäten Tübingen und Kiel. Er promovierte an der Universität Kiel zu einem Thema aus dem Bereich des internationalen Strafrechts. Im Jahr 1960 legte er das zweite Staatsexamen in Schleswig und Hamburg ab.
Dieterich war mehrere Jahre in der Wirtschaft tätig, bis er 1966 in das Landesplanungsamt der Stadt Stuttgart wechselte. Geodäten verstehen sich meist als exklusiver Kreis; wer nicht Vermessungswesen studiert hat, ist in einem für die Geodäsie typischen Beruf nicht gern gesehen. Dieterich hat es nach eigener Aussage geschafft, als "Beutevermesser" akzeptiert zu werden. Von 1973 bis 1977 arbeitete Dieterich als Referent für Recht und Praxis der Grundstücksbewertung im Bauministerium in Bonn. 1977 trat Dieterich die Nachfolge von Walter Seele an, zunächst als Ministerialrat, dann als berufener Hochschullehrer. Durch seine Veröffentlichungen, Vorträge und Studien erwarb sich Dieterich schnell einen hervorragenden Ruf als Experte für Bodenordnung und Wertermittlung (z.B. Dieterich 1980; Dieterich, Hoffmann & Junius 1981; Dieterich & Junius 1981; Dieterich et al. 1985; Dieterich 1990; Dieterich 1991; Dieterich, Dransfeld & Voß 1993a; Dieterich, Dransfeld & Voß 1993b; Dieterich et al. 1993). 1984/85 übernahm Dieterich das Amt des Dekans des Fachbereichs Raumplanung. Bekannt wurde er vor allem als Autor des Standardwerks "Baulandumlegung", das 1984 in der ersten und 2006 in derfünften Auflage erschien (Dieterich 2006). Wissenschaftlich innovativ war vor allem die sechsbändige Reihe "European urban land & property markets", herausgegeben von Dieterich, Williams und Wood (beide: University of Newcastle) (Dieterich, Williams & Wood 1993-1996). Lange bevor "Internationalisierung" zum Schlagwort an deutschen Universitäten wurde, forschte Dieterich zur vergleichenden Bodenpolitik - mit Beiträgen zur Bodenordnung und zu Immobilienmärkten in den Niederlanden, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien.
Zum wissenschaftlichen Personal gehörten unter Dieterich auch einige Geodäten, dann aber zunehmend Raumplaner: Dipl.-Ing. Peter Kuhlmann (Geodät, von 1978 bis 1985); Dr.-Ing. Gerd Geuenich (Geodät, bei der VBO von 1981 bis 1987; Dissertation: "Wohnbauland durch Flurbereinigung [Geuenich 1986]) zusammen mit Dr.- Ing. Bodo Steiner (Raumplaner, von 1979 bis 1987; Thema der Dissertation: "Quartiere und ihre planerische Bewertung: eine Untersuchung zur Typisierung und Ausgrenzung städtischer Quartiere in gründerzeitlichen Stadterweiterungsgebieten"); Brigitte Hower zusammen mit Geuenich; Dr.- Ing. Reinhard Scholland (Raumplaner, von 1982 bis 1988; Dissertationsthema: "Straßenverkehrslärm in Wohngebieten", 1988); Dr.-Ing. Armin Lutze (Raumplaner, 1982 bis 1988; "Wertentwicklung denkmalgeschützter Immobilien" [Lutze 1988]); Dr.-Ing. Franz-Josef Lemmen (Geodät, 1988 bis 1994; Dissertationsthema: "Bauland durch städtebauliche Maßnahmen" [Lemmen 1993]).
Die ersten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen waren Dagmar Joeris und Monika Teigel. Die Geodätin Dr.-Ing. Dagmar Joeris war von 1987 bis 1994 am Lehrstuhl der VBO tätig und promovierte 1994 über das Thema "Das historische Verhältnis von Flurbereinigung und Naturschutz/Landschaftspflege". Frau Joeris kehrte in der Übergangszeit zwischen Dieterich (VBO) und Davy (BBV) an den Lehrstuhl zurück. Die Geodätin Dr.-Ing. Monika Teigel war von 1994 bis 2000 am Lehrstuhl tätig und promovierte 1999 zum Thema "Flurneuordnung für Ausgleichsflächen. - Umlegung als Mittel des Verursacherprinzips" (Teigel 2000).
Weitere wissenschaftliche Mitarbeiter von Professor Dieterich waren Dr.-Ing. Winrich Voß (Geodät, von 1988 bis 1994; Dissertation: "Funktionsweise der städtischen Bodenmärkte in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft", 1994; später Professor für Boden- und Immobilienmanagement am Geodätischen Institut der Leibniz Universität Hannover), Dr.- Ing. Egbert Dransfeld zusammen mit Heinz Kobs (Raumplaner, von 1988 bis 1994; Dissertation: "Funktionsweise städtischer Bodenmärkte in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft", 1993), später Inhaber des Ingenieurbüros "IBoMa-Institut für Bodenmanagement" in Dortmund) sowie Dipl.-Ing. Wolfgang Göllner (Geodät, von 1994 bis 1996).
In seinen Memoiren kommt Dieterich zu einer bemerkenswerten Einschätzung, der wohl viele Hochschullehrer zustimmen würden: "Und das bringt mich zu der Feststellung, dass Professoren zwar viel beneidet werden, aber nicht um ihr wichtigstes Privileg, nämlich den ständigen Kontakt mit klugen jungen Menschen; viele, nein, alle Dissertationen an meinem Lehrstuhl haben mir zu wesentlichen Einsichten und Erkenntnissen verholfen" (Dieterich 2002: 7). Dieterich (2002: 5) hebt auch die enge Zusammenarbeit mit seiner Frau Beate, geb. Buchwald, hervor. Ihr gemeinsames Buch zur nachhaltigen Bodenpolitik, das als Band 119 der Bauwelt Fundamente erschienen ist, legt davon eindrucksvoll Zeugnis ab (Dieterich & Dieterich 1997). Im Juli 1996 wurde Hartmut Dieterich emeritiert, um gemeinsam mit dem Rektor der Universität Dortmund, Universitätsprofessor Dr. Klein zusammen mit seiner Frau Beate beim Gang auf den Lehrstuhl zu sehen.
Zuvor hatte Dieterich mit einigen Mitarbeitern das Institut für Bodenmanagement gegründet - ein Sachverständigenbüro mit Sitz in Dortmund. Der Begriff "Bodenmanagement" war auch in der neuen Lehrstuhlbezeichnung enthalten. Allerdings war dem Fakultätsrat wohl nicht ganz wohl dabei, den Lehrstuhl uneingeschränkt in den Bereich der Bewirtschaftung zu entlassen - was als rein privatnützig (miss)verstanden wurde. Das Landmanagement wurde durch zwei Begriffe umrahmt, die die Hinwendung zum öffentlichen Interesse am Land deutlicher herausstellen sollten. Der neue Name des Lehrstuhls lautete: Bodenpolitik, Bodenmanagement und kommunales Vermessungswesen (BBV)!